Wieviel Ich gibt man auf, für das Wir?

„Oh…du bist allein unterwegs? Habt ihr euch getrennt?“

Wieviel Ich gibt man auf, für das Wir?
Sehr provokante Frage, ich weiß…
Ich sitze hier auf den Stufen meines zauberhaften Zweitzuhauses im Lysefjord, die Aussicht ist atemberaubend, Janosch schläft zauberhaft hier neben mir und träumt wahrscheinlich von den vielen Schafen, die heute direkt an uns vorbei spaziert sind. Ich trinke ein Glas Wein und bin am Anfang meiner ersten Sechswochenreise. Gerade habe ich einen Status gesetzt. Darauf haben zwei wirklich wunderbare Frauen, die ich schon sehr lange kenne, wir aber selten Kontakt haben, reagiert.
Sie schrieben fast identisch: „Oh, bist du alleine unterwegs? Habt ihr euch getrennt? Naja, ich weiß ja, dass du immer das Beste aus jeder Situation machst, in die du kommst. Irgendwann kommt Mr. Right aber bestimmt.“

Das bringt mich nun das erste Mal in meinem Urlaub an das Laptop.
Ich weiß natürlich, beide Frauen wünschen mir nur das Beste und meinen es überhaupt nicht böse. Vor der einen weiß ich, dass sie in einer absolut anstrengenden Beziehung lebt.
Um nichts in der Welt würde ich ihren Lebensalltag mit Meinem tauschen.
Warum nur, ist es in der Gesellschaft immer noch so, dass es das höchste Gut ist, in Partnerschaft zu sein?

Selbst, wenn es das Leben anstrengend macht.
Selbst, wenn die liebevollen Berührungen fehlen.
Selbst, wenn die Interessen nicht übereinstimmen.
Selbst, wenn die Gespräche nicht tief sind.
Selbst, wenn man nebeneinanderher lebt.
Selbst, wenn der Sex nicht so schön, abenteuerlich und hingebungsvoll ist.
Selbst, wenn man sich anstatt zusammen, oft allein fühlt.
Ich denke, viele von euch können noch eigene Selbst… Sätze dazu schreiben.

Natürlich ist es toll, seinen tiefen Seelenpartner zu finden:
Naklar, komm und laufe mir über den Weg.
Aber wieviel „Auf den Anderen einstellen“ ist wirklich gesund?
Ich kenne so viele Beziehungen, die ich auf keinen Fall haben möchte….eigentlich fast: Die Allermeisten.
Dabei ist es nicht so, dass ich denke, die Frauen sind besser alleine dran.
Ich kenne auch Beziehungen, da denke ich es über den Mann: Dir würde es auch besser gehen ohne deine Frau.
Und natürlich kenne ich auch einige (wenige) Beziehungen, wo ich denke, wie wunderbar ihr es gemeinsam habt. 😊

Und da formt sich in mir die Frage, was sind die Beweggründe, in belastenden Beziehungen zu verbleiben? Warum wählen viele Menschen diese sogar, anstatt das Leben in Liebe mit sich selbst ?
Ich glaube, meistens ist es Angst und Einsamkeit.
Die überfordernden Gedanken, was mache ich dann, wenn ich mich trenne? Wie soll das gehen? Was kommt danach?
Dann gibt man seine Energie dafür her, an solchen Beziehungen festzuhalten und hat keine Kraft und keinen Mut mehr, sie in seine eigene Lebensgestaltung zu stecken.
Ein Teufelskreis…und so vergeht Jahr um Jahr deines wertvollen Lebens.
Dann ist da ja auch noch die Gesellschaft und immer noch sprechen Frauen in unglücklichen (oder so mittelmäßigen) Beziehungen den Satz, „aber irgendwann findest du Mr. Right!“
Ja? Wirklich? Hast du ihn schon gefunden?

Ich will nicht damit sagen, dass ich nicht glaube, dass zwei erwachsene Menschen, sich durch eine Beziehung vervollständigen können. Ein Ganzes plus ein Ganzes ergibt zwei Ganze.
Aber Halb und Halb kostet sehr viel Kompromiss.
Was, wenn ich mich davon abkopple?
Wenn ich mich davon wirklich abkopple, dann kann ich frei sein. Dann kann ich machen, was ich will. Und dann kommt auch dabei raus, was ICH wirklich will.

Mach dir klar, wie DU dein Leben wirklich willst

Ich glaube, dass es wichtig ist, sich seiner eigenen Beweggründe in seinen Beziehungen sehr bewusst zu sein.
Wenn man jemanden braucht, der dieses innere alte schlimme Gefühl von nicht genug sein, sich nicht zeigen mögen, deckelt, wird es schwierig. Für Beide meistens.
Alles, was aus eigenem Mangel entsteht, ist zum Scheitern verurteilt.
Oder man lebt eben nebeneinanderher, ohne tiefe Berührung der Seelen.
Das funktioniert für Viele. Dann braucht es eben nur irgendjemanden als Partner, der das eigene Muster und die Mangelgefühle im Alltag nicht spürbar hält.
Oder der die Wäsche wäscht und das Essen macht oder der einem das Gefühl gibt, nicht allein zu sein. Selbst wenn man es in Wirklichkeit ist. Ich glaube, dass man viel einsamer in Beziehungen sein kann als ohne.
Das ist wie bei der Kindererziehung. Man hat Angst vor dem Status Alleinerziehend. Aber die Energie, die es kostet, immer in Erwartung zu sein, die der Andere nicht erfüllt, ist viel anstrengender, als es wirklich allein zu machen.

Viele Jahre war ich ohne feste Beziehung, seit ich 2011 in mein eigenes, wirkliches Leben gestartet bin. Das war die Zeit, in der ich mir selbst treu wurde und ausgestiegen bin aus dem Nichtglücklichsein in Beziehung.

Ich habe allein meine zwei Töchter zu wunderbar emotionalen, empathischen, freien, moralischen und selbstständigen Menschen erzogen.
Ich habe mir ein 350m² großes, superschönes Zuhause aufgebaut.
Mit meinem absoluten Herzensjob verdiene ich mein gutes Geld. In meinem Garten steht eine Sauna und ein HotTub.
Wunderbare Menschen erfüllen mein Leben.
Seit ich mich 2011 getrennt habe, habe ich den weltbesten Sex meines Lebens. Auch in dem Thema kenne ich keinen Mangel.
Nun habe ich mir mein 24 Jahre altes, zauberhaftes Wohnmobil gekauft und zu meinem Zweitzuhause umgebaut.
Ich stehe in meinem ersten Sechswochenurlaub mit meinem Hund und einem Glas Wein am Lysefjord in Norwegen.
Ich bin aus tiefstem Herzen überzeugt, dass ich in keinster Form Mitleid brauche!!!

Aber trotzdem ist es so, dass ich diese Sätze immer wieder höre und scheinbar rüberkomme, als wäre in meinem Leben Mangel für andere sichtbar.
Aber vielleicht sehen sie in mir ihr Spiegelbild?
Wenn man mich sieht und dann weiterdenkt, kommt man zu der Frage:
Was würde es mit mir machen, allein auf eine Sechswochenreise zu gehen? Welche Gefühle und Ängste würde ich haben?
Würde mich das überfordern?
Spür mal dahin.

Ich glaube, solche Aussagen haben tatsächlich wenig mit mir und meinem Leben zu tun.
Die Menschen projezieren ihr Eigenes auf mich.
Meine wunderbare Freundin Evy, die jetzt beginnt, nicht nur die Bücher von Autoren zu übersetzen, sondern endlich ihre großartigen Gedanken in eigene Bücher packt, will genau über dieses Thema schreiben.
Das in jeder Geschichte, die es bisher auf dem Büchermarkt gibt, in der es um starke Frauen geht, ganz am Ende dann Mr. Right auftaucht und ihr Leben erst „richtig“ schön macht. Es ist wirklich furchtbar, weil es den Frauen vermittelt, dir muss was doch bestimmt irgendetwas fehlen. Ansonsten tickst du nicht „Richtig“.

Evy wird andere Geschichten schreiben. Geschichten von Frauen, die ihren eigenen Weg gehen.
Es geht nicht um Karriere oder ähnliches. Es geht um Glückseeligkeit in sich selbst. Eigene Lebensgestaltung eben.
Ich kann das nicht fühlen, dass Frauen im Mangel sind, wenn sie ohne Partnerschaft leben.
Ich fühle, dass mein Leben absolut „Richtig“ und vollkommen ist.
Das bedeutet nicht, dass es nicht Begegnungen geben darf, die „ein Ganzes und ein Ganzes“ sein dürfen. Natürlich. Aber eben nicht zwingend.
Nur weil ich nichts ausschließe, heißt das nicht, dass ein Mangel vorhanden ist.
Und auf keinen Fall ist es mehr mein Weg, wenn es nicht ein Ganzes und ein Ganzes ist.

Warum sieht die Gesellschaft das noch auf diese Art?
Ist es die Angst der Männer, dass sie ausgetauscht werden, sie vielleicht nicht gebraucht werden?
Ist es die eigene Einsamkeit, die Bindungsstörungen der Kindheit? Aus der resultiert, ich brauche immer jemanden neben mir aber eben nicht zu sehr verbunden. Das ist wie: „Wasch mich aber mach mich nicht nass.“
Tiefe Verbundenheit ist, mit einem alten und schweren Kindheitsrucksack, schwer aushaltbar und sehr anstrengend, weil man das Gefühl hat, so bin ich noch nie gesehen worden. Das deckt den Mangel richtig auf. Die Wunde liegt frei und in ihr währt die Chance, es heil zu machen…oder man klebt schnell wieder ein Pflaster drauf.

Wenn das zutrifft, gebe ich dir einen Rat: Setz dich mit dieser Angst auseinander.

Es ist nur alter Scheiß, der bis ins Heute seine Auswirkungen zeigt. Das kann man heil machen.
Die Alternative zum Heilmachen ist, du brauchst immer einen Menschen, der möglichst auch so tickt. Wo das Gefühl reicht, nebeneinanderher zu leben, weil wirkliche Verbindung eben auch mal anstrengend sein könnte. Dann hat man Halb und Halb. Es ergibt nur der Form halber ein Ganzes. Innerlich jedoch nicht.
Vielen reicht das. Ich glaube, den allermeisten reicht es. Das ist ja auch in Ordnung. Mir reicht es nicht mehr.
Oder ist es die Angst der Frauen, die es von ihren Müttern so gelernt haben?
Da bin ich wirklich froh und dankbar, dass meine Mutter den Mut hatte, ihrem Herzen zu folgen und ihren Weg zu gehen.
Es gibt bestimmt soooo viele Gründe aber diese sind es wohl meistens.

Ich möchte DIR Mut machen.
Vertraue auf deine Kraft. Menschen schaffen alles, wenn sie mutig sind.
Fleiß wäre auch noch ganz gut… 😉
Selbstwirksamkeit…. das ist mein Lieblingswort.
Sei glücklich und dir selbst dankbar.
Sorge dafür, dass du es bist.
Das macht kein anderer für dich.
Sei frei. Mit oder ohne feste Beziehung. Darauf kommt es überhaupt nicht an.
Wirklich nicht.
Wenn du dir selbst WIRKLICH genug bist.

8 Antworten auf „Wieviel Ich gibt man auf, für das Wir?“

  1. Liebe Nicky
    Auch wenn ich ein Mann bin, fühle ich mich dennoch angesprochen. Alles was du schreibst gilt auch für mich, und ich merke, wie schwer der Sprung für mich ist ganz in ein Wohnmobil zu ziehen für einige Jahre um endlich frei zu sein. Vielleicht, um mich selbst zu finden, und auch ohne Beziehung, denn mein zweiter Hund ist jetzt auch gestorben vor 4 Stunden. Ich merke, wie sehr ich immer jemanden brauchte, um den ich mich kümmern konnte. Und trotzdem war ich 14 Jahre lang nur behindert und verantwortlich. Zeit ein völlig neues Leben zu suchen und mich zu sortieren. Und wie du weißt das alte Trauma muss jetzt endlich einmal abgelegt werden. Ich freu mich für dich, dass du diesen Riesen Schritt gemacht hast und dir die Zeit gegönnt hast, mal richtig auszuspannen und deinen Weg zu suchen und zu gehen. Zwei Wochen ist Urlaub aber sechs Wochen ist Selbstfindung. Alles Liebe und ich wünsch dir noch Tausende von Weisheiten, die du findest in der Stille und genauso viele Begegnungen, die dich inspirieren und weiter bringen. Und du hast ja noch deinen besten Freund an der Seite. Alles Liebe Mario

  2. Liebe Nicky,

    ich fühle genau das, was du geschrieben hast, schon seit Jahren und lebe auch schon lange so! Natürlich ist alleinerziehend anstrengend, aber mit Partner, der permanent dagegen arbeitet, nicht wertschätzend bzw. sogar ignorierend der ganzen Familie gegenüber ist, das ist wesentlich anstrengender!!!
    Ich genieße es so sehr frei und ohne Kompromisse in meinen Entscheidungen zu sein und davon profitieren auch die Kinder, die mittlerweile großartige junge Erwachsene sind.
    An alle, die irgendwie am zögern oder zweifeln sind = fragt euch, ob ihr so wirklich weiter machen möchtet, ob ihr damit zufrieden seid! Wenn die Antwort eher nein ist = traut euch!!! Und das meine ich wortwörtlich = traut EUCH das zu! Ihr könnt das! Sucht euer Glück in Euch! Tschakkaaaaaaa!
    Und dir, liebe Nicky, gaaaanz viel Spaß, Erholung, tolle Erfahrungen und überhaupt alles Gute und Liebe!!!

  3. DIESE REISE DIE WIR MIT DIR ERLEBN DÜRFEN IST SO TOLL ALS WÄRE MAN SELBST VOR ORT .
    DU BIST EINE SUPER PERSÖNLICHKEIT SCHÖN DAS ES DICH GIBT .

    1. Boris, DAAAANKE. Ich bin auch so froh, dass es dich gibt. Und du und deine wunderbare Frau, ihr seid tatsächlich eins DER Paare. Bei dir merke ich immer, wie dein Fokus auf deiner Beziehung und deiner Familie liegt. Solche Männer braucht es.

  4. Ein absolut genialer Beitrag. Hat mich total abgeholt.
    Ich bin aktuell dabei, herauszufinden, was ich WIRKLICH will. Und aufgrund der letzten gescheiterten kurzen Beziehungen nach meiner Scheidung wird mir langsam klarer wo die Reise hingehen soll.
    Natürlich habe ich Momente, in denen ich mir eine Beziehung voller Liebe, Vertrauen, Intimität, Leidenschaft und Spaß wünsche. Spannend finde ich dann immer die Frage, ob man gefunden wird oder ob man aktiv suchen muss. Vielleicht hast du dazu einen Gedanken. 😀🥰🙏

    1. Dankeschön, lieber Heiko. :-*
      Wat weiß denn ich…. Ich bin da ja mal so gar keine Fachfrau.
      Was ich sagen würde, ist, ich glaube, wir sollten niemals unser Leben inaktiv leben. Egal in welchem Bereich. Aber Vertrauen ins Leben ist auch soooo wichtig.
      Somit denke ich: Die gute Mischung macht es. Wie immer.

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